In der Art und Weise, wie du Bilder malst, spielt Architektur eine große Rolle. Kannst du erklären, was das bedeutet?
Ich verstehe einen Ort besser, wenn ich ihn zeichne. Bei mir geht es viel um Strecken, ich skizziere viel, wenn ich unterwegs bin, zum Beispiel im Zug. Ich bin sehr fixiert auf Strukturen, was passiert zwischen Städten, leerstehende Fabriken, wie verändert sich die Vegetation, diese ganzen Formen faszinieren mich. Aus verschiedenen Skizzen baue ich dann meine Bilder, die meist mit Acryl gemalt sind.
Deine Bilder wirken auf mich beinahe so, als würden da verschiedene Bilder übereinander geschichtet. Wie Folien, die übereinander gelegt sind. Machst du das tatsächlich so, oder wie entsteht dieser Effekt?
Bei mir ist der Prozess so, dass ich viel springe zwischen den Kunstformen, vom Zeichnen zu Performances, zu Musik, zu Malerei. Ich fange dann an, die Sachen wie ein Bühnenbild im Theater zu sehen. Ich liebe Theater. Jetzt arbeite ich viel mit Graden von Tiefe. Ich male bewusst so, dass die Perspektiven nicht stimmen, versuche einen Raum zu gestalten, der gleichzeitig zu verschiedenen Zeitpunkten und Perspektiven existiert. Man bewegt sich so in Zeit und Raum, fragmentarisch.
Wo kommt diese Fokussierung auf das Fragmentarische bei dir her?
Ich liebe es, im Zug zu sitzen und zu zeichnen. Wenn ich zum Beispiel von Weimar nach Weißenfels fahre, habe ich ja nicht viel Zeit, um Skizzen zu machen, und der Zug ist die ganze Zeit in Bewegung. Man kann gar nicht alles erfassen. Aber mit der Zeit erkennt man Elemente, die sich wiederholen, Fachwerk, ein bestimmtes Grün, leerstehende Fabriken; Elemente, die durch das Vertrautwerden mit der Strecke beginnen, sich selbst zu vervollständigen. So habe ich das Skizzieren trainiert wie einen Sport. Ich liebe es, Dinge zusammen zu bringen, die nicht zusammen gehören. Für den Betrachter dieser Zeichnungen hat das dann ungefähr den Effekt: du erkennst etwas wieder, aber du weißt nicht, wo das ist. Ob das Sinn macht oder nicht, ist nicht wichtig.
Was fasziniert dich am meisten beim Blick aus dem Zugfenster, wenn du durch Thüringen fährst?
Es ist eher die Frage, wie kommuniziere ich mit diesen ganzen bewegten Orten, durch die ich reise, wie setze ich sie zeichnerisch in ein neues Narrativ, ein eigenes, das vielleicht auch mein Kennenlernen dieses Landes reflektiert. Ein sich in Beziehung setzen. Dazu gehören auch die Geräusche im Zug, die Themen, über die die Menschen im Zug sprechen, meine eigenen Tagträume, Lichtreflektionen. Die Menschen in Weimar, deren Kunst, Musik, Architektur mich gedanklich begleiten, gehören zu diesem Bühnenbild ebenfalls.
Setzt du dich eigentlich absichtlich für deine Skizzen in den Zug, oder skizzierst du, während du zufällig im Zug sitzt?
Ich verlasse mich auf den Zufall. Ich reise ja sowieso viel. Und egal wo ich bin, ich habe meinen Skizzenblock immer dabei.
Was mich beeindruckt ist, dass du so viele verschiedene Kunstformen beherrschst: du tanzt, du malst, du singst, du spielst Klavier, du fotografierst. Wie kommt das? Gab es Künstler in deiner Familie?
Das kam alles so nach und nach und kann eigentlich alles nur so ein bisschen. Meine Studiengang hier in Weimar hieß freie Kunst. Und das habe ich auch irgendwann verinnerlicht: ein freier Künstler zu sein. Das heißt, ich nehme mir die Freiheit mit Sachen, von denen ich keine Ahnung habe, zu experimentieren, mit Naivität, mit Neugier, mit Übung. Warum denn nicht? Ich werfe mich immer selbst in Zustände, die riskant sind, aus denen ich lerne. Ein prekärer Luxus, der nicht möglich ist, wenn man sich nur auf eine einzige Sache konzentriert. Was zählt ist das Gesamte, die Intention, die Komposition, wie bei einem Theaterstück. Ich liebe das Theater, es hat mich sehr geprägt.